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Hugo Fernandes kämpft sich mit Unterstützung der Stiftung Brändi zurück ins Leben

Wenige Sekunden genügen, um ein Leben komplett zu verändern. Beispielsweise durch einen Unfall. Treffen kann es jede und jeden – und doch ist es ein Tabuthema. Hugo Fernandes kämpft sich mit Unterstützung der Stiftung Brändi zurück ins Leben und spricht offen über seine Zeit vor und nach dem fatalen Töffunfall.

«Pass einfach auf», sagte sein Arbeitskollege noch, als Hugo Fernandes an diesem Tag im August 2012 auf den Töff stieg. Pass einfach auf. Es war ein anstrengender Tag in der Autowerkstatt gewesen. Hugos Maschine war stark und das Tempo wohl zu hoch, als der damals 29-Jährige im Reidermoos drei Autos aufs Mal überholen wollte. Es gelang nicht. Hugo Fernandes kollidierte frontal mit einem entgegenkommenden Fahrzeug.

 

Drei Monate lag er im Wachkoma. Ein Schlüsselmoment in dieser Zeit war, als er seinen verstorbenen Vater hören sagte: Du darfst noch nicht zu deiner Mutter und mir in den Himmel kommen. Es ist noch zu früh für dich. «Ich sagte mir, dann gehe ich halt wieder zurück ins Leben», erinnert sich Hugo Fernandes. Diese und viele weitere Erinnerungen sind ihm geblieben. Aber was er in den rund drei Jahren vor dem Unfall erlebt hatte, weiss er nicht mehr. «Ich lebe. Was will ich mehr. Jetzt mache ich das Beste daraus.» Dass er noch lebt, ist nicht selbstverständlich. Im Luzerner Kantonsspital habe man ihn «zusammengeflickt». Hugo Fernandes erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und lebt heute mit Schrauben im rechten Arm, in Hüfte und Schulter. Die Milz musste entfernt werden. Auf die einjährige Reha folgten Therapien, um wieder laufen und sprechen zu lernen. Die Zeit im Rollstuhl und an Krücken ist vorbei. Aber bis heute hat er Mühe mit Sprechen und feinmotorischen Arbeiten. Er ist schnell erschöpft und vergesslich.

Ich lebe. Was will ich mehr. Jetzt mache ich das Beste daraus.
Hugo Fernandes

Der Töffunfall teilt das Leben von Hugo Fernandes in ein Davor und ein Danach. Davor hatte sein Leben erst so richtig begonnen: Er war verheiratet, arbeitete bei einer grossen Garage als Automechaniker, war viel mit Freunden unterwegs und Trainer der zweiten Mannschaft des FC Dagmersellen. Das Danach ist ein Weg, der viel Kraft braucht. Seine Freunde unterstützen ihn, ebenso die Stiftung Brändi, die er über seine Ergotherapeutin im Jahr 2014 kennenlernte. Seither arbeitet er im AWB Neubrugg in Sursee. «Hugo ist aufgestellt und eine spannende Persönlichkeit mit guten Ideen», sagt Marcel Schriber, der die technische Montage leitet. «Wir gaben und geben ihm Raum, damit er zurück in die Arbeitswelt findet.» Beim Start ging Hugo Fernandes an Krücken und war bereits durch einfache Arbeiten gefordert. Rasch waren komplexere Arbeiten möglich, die Fortschritte offensichtlich. Auch dank der Stiftung Brändi, erklärt Schriber: «Wir unterstützen Hugo mit kurzen Begleitgesprächen und nehmen Rücksicht auf seine körperlichen Einschränkungen. Wir haben Hugo auch unterstützt, als er an zwei Tagen pro Woche im ersten Arbeitsmarkt arbeiten wollte.» Eine wichtige Erfahrung, die Hugo Fernandes zeigte, dass er noch nicht so weit ist.

 

Aufgeben passt aber nicht zu ihm. Mit seiner lebensbejahenden Art hat er sich etwas Neues aufgebaut: «Hugo’s 2-Rad Werkstatt». «Ich brauchte etwas, damit ich nicht versauere und mein Gehirn angeregt wird.» In der Tiefgarage seines Wohnhauses durfte er sich eine Werkstatt einrichten. Hier repariert er alles auf zwei Rädern. Oft bis spät in die Nacht und auch an Wochenenden. Marcel Schriber bewundert diesen Tatendrang: «Ich kenne nicht viele Personen, die nach einem Unfall wieder so weit kommen wie Hugo. Viele haben nicht die Energie dazu.» Vielleicht auch deshalb, weil es ein Tabu-Thema ist: «Niemand denkt daran, dass er oder sie selbst einen folgeschweren Unfall hat. Man spricht nicht darüber, sondern zeigt eher auf Betroffene und sagt: selber schuld.»

Ob selbst verschuldet oder nicht – es bleibt ein Leidensweg. Hugo Fernandes meistert ihn auch dank seines Umfelds. Alte Freunde, der Fussballclub und ehemalige Arbeitskollegen – mit allen hat er regelmässig Kontakt. Das sorgt für Stabilität und Perspektive. Hugo Fernandes weiss, wohin er will. Zurück in den ersten Arbeitsmarkt und irgendwann sein eigener Chef sein. Die Kraft für diesen Weg schöpft er aus seinem grössten Wunsch: wieder als Automechaniker zu arbeiten und Auto fahren zu dürfen. Bis dahin sagt er jedem, der es hören will: «Schau zu dir. Das Leben ist kostbar, und nichts ist selbstverständlich.»

 

Von Manuel Huber, Bilder: Fotosolar