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Ausgezogen

Die erste eigene Wohnung ist für viele Menschen ein grosser Schritt. Und richtig gut darauf vorbereitet sind wohl die wenigsten. Nicht so Elena Paiano. Sie hat gebüffelt und trainiert, um nun endlich auch mal nur für sich sein zu können.

«Endlich hab ich meine Ruhe», sagt Elena Paiano und lacht. Wir sitzen in ihrer ersten eigenen Wohnung gemeinsam am kleinen Küchentisch. Es ist eine Studiowohnung in einem der massiven modernen Neubauten in der Horwer Allmendstrasse, die sie im Frühling bezogen hat. Vor dem Block frisch gepflanzte Hortensien, ein paar Ginkobäumchen, gerade wird ein Teil der Strasse asphaltiert und im Treppenhaus riecht es noch nach Farbe. Auf der Fussmatte vor Elena Paianos Wohnungstüre steht «Home», daneben zwei Herzen.

 

Ein Balkon fehlt, findet die 26-Jährige, aber sonst sei sie sehr glücklich in ihren ersten eigenen vier Wänden. Sie habe schon bevor sie mit 20 bei ihren Eltern auszog gewusst, dass sie gerne alleine leben würde. Doch erstmal war das keine Option. Für eine eigene Wohnung sei es noch zu früh, fand damals unter anderen ihre Beiständin. So zog sie erstmal im Wohnen Horw in eine der begleiteten Wohngruppen für die ersten dreieinhalb Jahre. 

 

Dass sie die Institution Brändi schon kannte, war ein grosser Pluspunkt. Denn hier hatte sie bereits ihre Ausbildung gemacht. Als Industriepraktikerin PrA ist sie seit ihrem Abschluss 2018 in der Abteilung «Montage 2» angestellt, wo hauptsächlich Arbeiten im medizinischen Bereich anfallen, wie beispielsweise das Konfektionieren und Abpacken von Medela- oder Curaden-Produkten. Und seit diesem Jahr arbeitet sie durch den Personalverleih von Brändi auch einen Tag in der Woche auswärts. «Dort ist das Tempo definitiv höher, aber ich mag die Herausforderung», sagt Elena Paiano.

Selbständigkeit trainineren

Nach den ersten Jahren in der Wohngruppe wechselte Elena Paiano dann in eine neue WG, die Wohntrainingsgruppe, in der alle Mitbewohner:innen die Wohnschule absolvieren. Das Ziel: Die eigene Wohnung. Innerhalb von zwei Jahren lernte sie in zehn Modulen, darunter Ernährung, Arbeit/Freizeit/Geld, Haushalt, Gesundheit oder Medien, was das Alleinewohnen und Haushalten alles bedeutet. Heute sagt sie: «Am liebsten würde ich das Wohntraining gleich nochmals machen», und lacht. Es habe ihr sehr viel Spass gemacht und besonders, dass sie in Teamarbeiten so oft von den anderen gewählt worden sei, sei natürlich schön. Auch die persönlichen Ziele, die sie sich immer wieder stecken mussten, hätten viel gebracht. Eine Hausapotheke für die eigene Wohnung zusammenzustellen beispielsweise. «Es war eine coole Zeit», sagt Elena Paiano rückblickend. «Mir wurde auch zugehört und wenn es mir nicht gut ging, nahm mich jemand in den Arm.» Sie habe sich sehr angenommen und aufgehoben gefühlt.

 

Anfang 2024 aber war Elena Paiano dann soweit, ihren Wunsch in die Tat umzusetzen. Sie begann sich für eine Wohnung umzusehen, schickte im Februar die erste Bewerbung ab und bekam prompt die Zusage. «Ich war so aufgeregt bei der Wohnungsbesichtigung. Und in der ersten Nacht war es etwas unheimlich so ganz alleine.» Mittlerweile jedoch fühle sie sich sehr wohl in ihrem zuhause. Auch wenn es in gewissen Momenten ungewohnt sei; so komplett auf sich gestellt zu sein. Wie, als sie sich vor kurzem beim Kochen in den Finger schnitt. «Erst wusste ich nicht, was ich tun sollte. Dann aber schaute ich in den Ordner, holte meine Hausapotheke und es ging.» Trotzdem trage sie seither beim Kochen Handschuhe – wie ihr Vater.

Am liebsten würde ich das Wohntraining gleich nochmals machen.
Elena Paiano

Zeit zu zweit und Zeit für sich

Ihr Pensum hat Elena Paiano seit ihrem Auszug aus der Wohngruppe von 100 auf 90 Prozent reduziert – der Mittwochnachmittag ist nun für den Haushalt und die Wohnbegleitung reserviert. Als erstes wird Wäsche gewaschen, dann steht oft schon der Besuch von Marion Bieri an. Sie unterstützt Elena Paiano im Rahmen des Wohnangebots «ambulante Fachleistung» in organisatorischen oder zwischenmenschlichen Angelegenheiten. Damit sie ihren Haushalt selbstständig führen kann. «Wir gehen dann gemeinsam die Woche durch, den Kühlschrank – schauen uns die Ausgaben an und was sonst noch ansteht». Erklärt Paiano.

 

So wie es jetzt sei, habe sie sich das vorgestellt, sagt Elena Paiano. Sie geniesse besonders auch die Zeit zu zweit, wenn ihr Freund, der in einer Wohngruppe lebt, zum Essen komme zum Beispiel – das gab es vorher kaum, auf der Wohngruppe, am Wochenende oft zuhause bei ihren Eltern oder im Elternhaus ihres Freundes. «Ich bin einfach gerne auch mal ganz für mich», sagt Elena Paiano.

 

Über dem Pult hängen ihre Diplome, daneben ein paar Film-Plakate an der Wand, gerahmte Fotos, Bücher und Erinnerungsstücke stehen in einem kleinen Regal fein säuberlich aufgestellt. Ausserordentlich aufgeräumt und sauber ist die Wohnung, doch das wird für niemanden überraschend kommen, der Elena Paiano kennt. Schon auf der Wohngruppe bei Brändi sei sie mit ihrem Reinlichkeitssinn und ihrer Ordnungsliebe aufgefallen. «Man wusste immer sofort, wenn Elena putzte: Dann standen praktisch all ihre Möbel im Gang», erzählt Marion Bieri und beide lachen. Über dem Küchentisch, an dem wir sitzen, hängt ein grosses Bild vom Central Park in New York City. «Und das ist mein nächstes Ziel», sagt Elena Paiano. «Dorthin zu reisen.»

Selbstständig wohnen mit der Unterstützung von Brändi

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